Bindungsangst – Angst vor Nähe

Die Angst vor Nähe & die Angst vor den Gefühlen

Menschen, die sich scheuen eine Beziehung einzugehen, unter einem gestörten Nähe-Distanz-Verhältnis leiden oder mit Komplikationen eine aufreibende Beziehung führen, werden in der Literatur als Bindungsangst Betroffene oder Beziehungsangst Betroffene bezeichnet. Dabei können bereits gebundene Menschen genauso von bindungsängstlichen Verhaltensmustern betroffen sein, wie Ungebundene. Es ist mithin so, dass jemand, der schon eine Beziehung hatte, durchaus unter Bindungsangst leiden kann.

Aber: Ist es tatsächlich die Angst vor der Bindung?

Die Antwort ist simple und dennoch komplex zugleich: Nein!

Die Menschen, die meine Praxis aufsuchen, sind wirklich verzweifelt und in großer emotionaler Not. Es sind nicht die Partner, die einen bindungsängstlichen Menschen zu mir schicken oder gar selbst zu mir kommen, sondern die Bindungsangst Betroffenen selbst. Und wer diesen Schritt geht, hat IMMER eine ganz große Sehnsucht nach gerade dieser Bindung, vor der er angeblich ängstlich davon laufen soll.

 

Bildquelle: Neuschulz

Bindungsangst – Die Angst vor Nähe und den Gefühlen

Deshalb passt die Bezeichnung BINDUNGSangst so gar nicht zu dem, wovor diese Menschen davon laufen, da die Angst vor Nähe oder den mit einer Beziehung entstehenden Gefühlen im Vordergrund steht. So sollte diese Gruppe von Betroffenen besser GEFÜHLSverängstigte, GEFÜHLSverstörte, GEFÜHLSvermeider genannt werden. Denn der einzige Grund, warum sie nicht in eine Beziehung gehen können oder innerhalb einer Beziehung eine ungesunde Struktur etablieren, ist die Angst vor den Gefühlen, die sich mit der zunehmenden Vertrautheit und Nähe einstellen können. In einigen Fällen steht jedoch die Angst vor den sich nicht einstellenden Gefühlen im Fokus. Bei diesem Personenekreis stellen sich also erst gar keine Gefühle tieferer Art ein.

Oft ist die Bindungsangst mit einem instabilen Selbstwertgefühl gepaart.  Bindungsangst Betroffene haben nicht oder nur bedingt erfahren, dass Gefühle etwas positives, stärkendes und fürsorgliches mit sich bringen. Die Erfahrung, welche diese Menschen – oft in der frühesten Kindheit – gemacht haben, führte dazu, dass sie fast täglich mit einem Repertoire an Gefühlen konfrontiert worden sind, die sie kaum bewältigen oder ertragen konnten. Irgendwann in dieser Zeit, machten diese Menschen  (Kinder!) „einfach dicht“; d.h. sie entwickelten einen Überlebensmechanismus, der dazu diente und heute noch dient, die negativen Gefühle zu verdrängen oder abzuspalten. Davon sind dann allerdings auch andere Gefühle betroffen, die eigentlich zum Ausgleich und zur Stärkung des Menschen dienen.

Bindungs- und Beziehungsängstler laufen also vor ihren Gefühlen und nicht vor einer Bindung davon. Und für keinen, noch so liebevollen und fürsorglichen Menschen dieser Welt, können sie diesen Zustand verändern. Es sei denn, der Betroffene möchte es für sich selbst. Dann können diese Menschen innerhalb einer Therapie lernen einen Zugang zu ihren Gefühlen zu bekommen und mit diesen umzugehen. Dabei ist es wichtig, dass die Betroffenen kontinuierlich positive Erfahrungen machen. Gleichzeitig wird das die eigene Person bereffende Selbstwertgefühl stabilisiert.